Saturday, January 30, 2021

Karl von Habsburg: Zur Zukunft Europas

Empfehlenswert!

" ... „Wer nicht weiß woher er kommt, der weiß auch nicht, wohin er geht, weil er nicht weiß, wo er steht.“  ...
In Europa wurden im vorigen Jahrhundert einige Versuche unternommen, den Himmel auf Erden zu erschaffen: Nationalismus, Nationalsozialismus, Kommunismus, all diese Ideologien sind gescheitert. Sie haben Millionen von Menschen in den gewaltsamen Tod getrieben und massive wirtschaftliche Schäden verursacht. Ideologien sind vermeintliche Heilslehren, die kein Heil bringen können, weil sie sich der Vernunft entziehen. ...
Krisen haben wir von vornherein ausgeschlossen. Und wenn sie doch kommen – denn ohne Krisen kommt die friedlichste Zeit nicht aus –, dann haben wir auf jenen Wohlfahrtsstaat vertraut, der sich spätestens ab den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, im Westen des Kontinents beginnend, in Europa etabliert hat. ...
Dass wir diesen Wohlfahrtstaat im Schatten des Kalten Krieges entwickeln konnten, verdanken wir mindestens zwei Umständen. Das eine ist der militärische Schutzschirm, den die westliche Supermacht USA mit der Nato über den westlichen Teil Europas gespannt hat. ... Der zweite Umstand ist jene Politik, die unter dem Begriff „Wirtschaftswunder“ heute noch bekannt ist. Es war eine Politik, für die nicht Planwirtschaft, sondern Marktwirtschaft im Mittelpunkt stand. Der Staat hat Ordnungspolitik betrieben, nicht Interventionspolitik. In Deutschland stand dafür Ludwig Erhard, in Österreich der Raab-Kamitz-Kurs. Eine solide Währungspolitik der deutschen Bundesbank hat mit dazu beigetragen, dass sich ein solider Mittelstand etablieren konnte, der durch Leistung, Sparen und Investieren, sowohl im privaten als auch im unternehmerischen Sinn, dazu beigetragen hat, dass es der nächsten Generation besser ging. ...
Die Politik des Wirtschaftswunders basiert auf Eigeninitiative und Leistung. Der Wohlfahrtsstaat ist ein Konzept, um die Bürger – noch dazu mit ihrem eigenen Geld – vom Staat abhängig zu machen. ...
Die Entwicklung dieses Wohlfahrtsstaates im Schatten des Kalten Krieges hat auch die außenpolitische Kraft der europäischen Länder erlahmen lassen. Eine Entwicklung, die wir sowohl während der Kriege am Balkan in Folge der Auflösung Jugoslawiens beobachten mussten, aber auch bei der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Es war für die europäischen Politiker recht bequem, die wirklich wichtigen außenpolitischen Entscheidungen, inklusive der Sicherheitspolitik, den USA zu überlassen. ...
Dieser Wohlfahrtsstaat braucht einen immer größeren Staatsapparat, um die vergemeinschafteten Mittel zu verwalten. Damit verbraucht er aber immer größere Mittel aus dem Steuertopf, um die eigene Bürokratie zu erhalten. ... „Je mehr Funktionen ein Staat übernimmt, desto schwerer ist seine Verwaltung zu kontrollieren.“ ... „Je größer und je vielseitiger der Staat, desto einflussloser das Volk.“ ...
Das Problem dabei ist, dass die Politik heute Krisen nicht mehr meistert, sondern eine neue Krise die alte Krise aus den Medien und damit aus der öffentlichen Debatte verdrängt. [oder eine Krise jagt die andere] ...
Und wenn ich Russland und China nenne, dann ist auch klar, dass es da in erster Linie um geopolitische Interessen geht. Das sollten auch jene Mitgliedsländer der EU bedenken, die aus meist kleinlichen nationalen oder gar nationalistischen Interessen heraus Blockaden gegen diese Erweiterung aufbauen. ... Ukraine ... dass die Bürger dieses Landes ihre Zukunft in Europa und nicht unter russischer Dominanz sehen. ...  Wer die europäische Einigung ernst nimmt, muss es für jedes europäische Land möglich machen, der Europäischen Union beizutreten. ... Ukraine in eine konkrete Beitrittsperspektivenpolitik zu ändern. ... Belarus ... diese Demokratiebewegung zu unterstützen, wo es nur geht.  ...
So gesehen steht die Rechtsstaatlichkeit tatsächlich am Beginn der europäischen Idee. ... Auf diesem Fundament beruhen weitere Grundpfeiler wie das Privateigentum, die persönliche Haftung für Misserfolg aber auch Erfolge, damit das private Unternehmertum, das auf Innovation setzen muss, um erfolgreich zu sein. ... Diese Betonung des Rechts ist deshalb so wichtig, weil gerade in Europa immer wieder Rufe nach einem Primat der Politik laut werden. Die Politik müsse alles regeln. Je mehr sie das tut, umso tiefer aber wird der Konflikt mit dem Recht. Dieser Konflikt wird immer schärfer, weil immer seltener rechtsstaatliche Grundsätze regieren – also die Herrschaft des Rechts -, sondern Machtverhältnisse. Dieser Konflikt wirkt sich langfristig zum Schaden Europas aus. ...
Ein weiteres Wesenselement der europäischen Identität ist die Freiheit. ... Europa wird bestehen, solange es diesen Kampf fortsetzt; sobald es dieses Ideal preisgibt und seiner Mission untreu wird, verliert es seine Seele, seinen Sinn, sein Dasein. Dann hat es seine historische Rolle ausgespielt.“ ... Freiheit ist nicht selbstverständlich. Freiheit muss immer wieder neu erkämpft werden. Freiheit ist untrennbar mit Verantwortung verbunden. Und diese Verantwortung für die Freiheit können wir nicht an den Staat delegieren. ... Der Schutz der Freiheit ist also die oberste Aufgabe der Politik. Es ist nicht Machterhalt und Machtausübung, wie uns das heutzutage so gerne vorgeführt wird, sondern Dienst an den ewigen Werten: Recht, Freiheit und Menschlichkeit. ...
Sie kennen den schönen Ausspruch: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Auch die europäische Einigung wird nicht an einem Tag vollendet, sie ist ein Prozess, der von Fortschritten und Rückschlägen gekennzeichnet ist. ...
Gerade in dieser Außen- und Sicherheitspolitischen Frage braucht es eine europäische Souveränität. Souveränität bedeutet im konkreten Fall die Fähigkeit zu handeln und zu gestalten. ...
Dazu brauchen wir einen Kern einer europäischen Verfassung, in der genau diese außenpolitische Kompetenz für die Europäische Union festgeschrieben wird. Ein Punkt übrigens, der auch allen Anforderungen der Subsidiarität entsprechen würde. ...
Die EZB konterkariert mit ihrer Politik den Abbau der Schulden. Das betrifft sowohl die Nullzinspolitik als auch den Ankauf von Staatsanleihen. Damit werden keine Anreize zum Abbau von Schulden gesetzt, im Gegenteil, eine höhere Verschuldung wird attraktiv. ..."

Zur Zukunft Europas - Prometheus

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